Grüne Logistik
Studie des
Instituts für Nachhaltigkeit in Verkehr und Logistik (INVL) an der Hochschule Heilbronn
zu Begriffsverständnis, Bedeutung und Verbreitung „Grüner Logistik“
in der Speditions- und Logistikbranche
Kommentierte Zusammenfassung
Produktion und Konsum erfordern eine räumlich und zeitlich abgestimmte Bereitstellung von Gütern. Deshalb sind Verkehre in hoch entwickelten, arbeitsteiligen und international eingebundenen Volkswirtschaften nicht unbegrenzt vermeidbar. Der Güterverkehr ist kein Selbstzweck, sondern Grundlage für Versorgung und Lebensqualität. Er hat sich als Wirtschaftszweig mit eigener Innovationsdynamik als eine Basis für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung einer Gesellschaft etabliert, in dem Spediteure und Logistikdienstleister zentrale Organisations- und Entscheidungsfunktionen ausüben.
Doch sind vom Verkehr ausgehende negative Umwelteffekte nicht von der Hand zu weisen. Das Speditionsgewerbe hat deshalb seine Verantwortung für den Erhalt der natürlichen Umwelt erkannt und bekennt sich hierzu auch. Dies hat der Gesamtvorstand des DSLV auf seiner Sitzung am 18. Februar 2010 nochmals unterstrichen. Dabei muss die Spedition, wie alle Branchen, bei der Erbringung ihrer Kernleistung die Anforderungen an den Umweltschutz – seien sie gesetzlich vorgegeben, vom Markt gefordert oder aus individueller Betroffenheit bestimmt – berücksichtigen, ohne die eigene Wirtschaftlichkeit zu gefährden. Denn Umweltschutz ist eine wesentliche Rahmenbedingung, kann jedoch keine zentrale Zielsetzung eines Logistikunternehmens sein.
Eine steigende Zahl von Unternehmen arbeitet deshalb an Lösungen, bei denen die ökonomischen und ökologischen Ziele komplementär sind. Doch beginnt die Spedition heute nicht bei „Null“. Denn die besondere, auf ständige Effizienzverbesserung gerichtete Bündelungs- und Organisationsfunktion des Spediteurs liefert bereits einen wesentlichen Beitrag zur Verringerung güterverkehrsinduzierter Emissionen. Selbst wenn sie zunächst ökonomisch motiviert waren, können durch neue logistische Konzepte, aber auch durch organisatorische und technische Einzelmaßnahmen erzielte Rationalisierungserfolge guten Gewissens schon als ersten Schritt zur „Grünen Logistik“ begriffen werden. Darüber hinausgehende Maßnahmen sind hingegen größtenteils mit Investitionen in neue Technologien verbunden, deren ökologische Amortisation der ökonomischen zunächst vorangeht. Auch Umweltschutz hat seinen Preis: Je mehr echte „grüne“ Logistikprodukte, z.B. mit Hilfe von CO2-Kompensationsmaßnahmen, auf die Befriedigung spezifischer Kundenbedürfnisse zielen, desto ausgeprägter sollte die Bereitschaft des Kunden sein, höhere Transportpreise zu zahlen.
Trotz wirtschaftlicher Krise haben sich die Diskussionen über Möglichkeiten und Strategien zur Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit speditioneller Dienstleistungen verstetigt. Vieles spricht dafür, dass „Grüne Logistik“ kein kurzfristiger Trend ist, sondern sich zum festen Bestandteil des Handelns sämtlicher Glieder einer Supply Chain entwickeln wird. Die Bedeutung der ökologischen Nachhaltigkeit scheint – zumindest auf Teilmärkten des Güterverkehrs – als Merkmal logistischer Dienstleistungen zu wachsen.
Doch wie weit ist die Branche tatsächlich? Was verstehen deutsche Speditionen und Logistikdienstleister unter „Grüner Logistik“, welche Maßnahmen haben sie bereits ergriffen und welche Bedeutung wird die „Grüne Logistik“ nach Einschätzung der Branche zukünftig bekommen? Zur Klärung des Status quo hat der DSLV gemeinsam mit sechs seiner Landesverbände das Institut für Nachhaltigkeit in Verkehr und Logistik (INVL) an der Hochschule Heilbronn mit der Befragung seiner Mitgliedsbetriebe und der Auswertung der Ergebnisse beauftragt.
Ziel der Studie war es, den Stand zur „Grünen Logistik“ in der Speditions- und Logistikbranche zu erheben. Ein wichtiges Ergebnis: für 85% der antwortenden Teilnehmer sind Spedition/Logistik und ökologisches Handeln keine Gegensätze. In der repräsentativen Untersuchung konnte gezeigt werden, dass bei Speditionen und Logistikdienstleistern ein Begriffsverständnis zur „Grünen Logistik“ dominiert, das zunächst eine Zielkomplementarität zwischen ökologischen und ökonomischen Zielen voraussetzt. Doch nach Ansicht vieler Unternehmen reicht eine reine „lean is green“-Strategie alleine nicht aus, um von „Grüner Logistik“ sprechen zu können.
Bezüglich ihres Engagements unterscheiden die Unternehmen deutlich zwischen dem Betreiben „grüner“ Logistikaktivitäten und dem konkreten Angebot „grüner“ Logistikprodukte, also solcher Logistikdienstleistungen, bei deren Erstellung gezielt auf geringere Umweltbelastungen gegenüber „herkömmlichen“ Logistikprodukten geachtet wird. „Grüne“ Logistikprodukte zeichnen sich aus Sicht der Befragten vor allem durch Ressourceneffizienz, geringere Umweltbelastungen, reduzierte Treibhausgas (THG)-Emissionen und Transparenz aus. Dabei wurde die Schwierigkeit der Operationalisierung und der Bestimmung eines Vergleichsmaßstabes deutlich. Im Gegensatz zur Selbsteinschätzung „Grüne Logistik“ zu betreiben, ist das Angebot „grüner“ Logistikprodukte weniger ausgeprägt.
Der Verbreitungsgrad der so verstandenen „Grünen Logistik“ ist hoch. Über 80% der Untersuchungsteilnehmer sind nach eigenen Angaben bereits in der „Grünen Logistik“ engagiert, wobei sich hier die Struktur der Unternehmen aus der Stichprobe auswirken dürfte. Die Motivation der Unternehmen resultiert dabei aus unterschiedlichen Quellen. Die eigene Verantwortung gegenüber der natürlichen Umwelt rangiert nach Angaben der Befragten sogar noch vor dem Ausbau der Wettbewerbsposition.
Die „Umweltverträglichkeit“ wird nach Einschätzung der Befragten erheblich an Bedeutung gewinnen. Zwar bleiben auch zukünftig die klassischen Merkmale „Preis“, „Zuverlässigkeit“ und „Sicherheit“ dominierend, gleichwohl wird die „Umweltverträglichkeit“ den größten Bedeutungszuwachs erfahren.
Eine höhere Preiszahlungsbereitschaft der Verladerschaft für „grüne“ Logistikprodukte, wie z.B. klimaneutrale Transporte, erwartet die Spedition hingegen kaum, was die Notwendigkeit einer Zielkomplementarität zwischen Ökologie und Ökonomie für sämtliche ergriffenen Maßnahmen noch erhöht und unterstreicht.
Bereits die Hälfte der Speditions- und Logistikunternehmen wurde mit konkreten Informationsanforderungen zur „Grünen Logistik“ seitens ihrer Kunden aus der verladenden Wirtschaft konfrontiert. Dabei sehen viele Unternehmen keine Unterschiede zwischen den einzelnen Verladerbranchen. Wenn Unterschiede bezüglich der Höhe der Anforderungen gesehen werden, so zeigen sich nach Erfahrung der Befragten die Chemie- und die Automotive-Industrie als ebenso besonders anspruchsvoll wie die Lebensmittelindustrie. Dennoch sind die Kunden nicht die Anspruchsgruppe, von der zukünftig nach Einschätzung der Unternehmen der größte Druck ausgehen wird. Es ist vielmehr die Politik, von der zukünftig strengere umweltbezogene Gesetze und Auflagen erwartet werden.
Bei den Anforderungen im Bereich Umweltschutz und „Grüne Logistik“, denen sich die Unternehmen stellen müssen, dominieren Anforderungen aus dem Produktionsbereich. Auch die Querschnittsanforderungen „Reduzierung des Energieverbrauchs/Ressourcenschonung“ und „THG-Emissionsreduzierung“ wurden häufig genannt. Im Fuhrparkbereich werden zukünftig mehr Anforderungen zu alternativen Antrieben und Treibstoffen erwartet. Insgesamt ist davon auszugehen, dass umweltbezogene Anforderungen zunehmen werden.
Die größten Potenziale zur Verfolgung einer „Grünen Logistik“ sehen die befragten Unternehmen im Bereich des Fuhrparks, in der Bündelung von Transportströmen und in der Qualifizierung des Fahrpersonals zu treibstoffsparender Fahrweise. Im Abgleich mit den durch die Unternehmen ergriffenen Maßnahmen zeigt sich ein konsistentes und schlüssiges Verhalten der Unternehmen. Externe Einflüsse erschweren nach Angaben der Befragten das Ausnutzen von Umweltschutzpotenzialen. Als wesentliche Hinderungsgründe wurden eine nicht-leistungsfähige öffentliche Infrastruktur, Engpässen an Be- und Entladestellen der verladenden Wirtschaft sowie das fehlende Angebot alternativer Verkehrsträger genannt.
Deutsche Speditions- und Logistikunternehmen setzen einen modernen und umweltfreundlichen Fuhrpark ein, was für eigene Fahrzeuge wie auch für den disponierten Fremdfuhrpark gilt. Euro 2-Fahrzeuge sind kaum noch im Einsatz und auch der Anteil der eingesetzten Euro 3-Fahrzeuge wird immer kleiner. Daraus wird deutlich, dass die Unternehmen das im Fuhrpark identifizierte Potenzial auch nutzen.
Im Bereich der normierten Umweltaktivitäten wurde der große Bekanntheitsgrad der Umweltmanagementnorm ISO 14001 sowie die hiermit gemachten positiven Erfahrungen deutlich. Ihre Ziele im Rahmen des Umweltmanagement setzen die Unternehmen überwiegend in den Bereichen Fuhrpark, Ressourcenschonung, THG-Reduktion und Abfall, was sich konsistent zu den gesehenen Anforderungen an Umweltschutz und „Grüne Logistik" zeigt. Auch die Maßnahmen, die zur Erreichung der Umweltziele ergriffen werden, haben einen konsistenten Bezug zu den Zielen.
Die THG-Emissionsermittlung stellt für die meisten Speditions- und Logistikunternehmen zwar noch Neuland dar, doch erhebt bereits ein Fünftel der an der Studie Beteiligten Daten über CO2-Emissionen. Der noch vergleichsweise geringe Anteil ist vor dem Hintergrund der Neuigkeit des Themas aber nicht überraschend. Das Speditionsgewerbe liegt im Vergleich mit anderen Branchen auch nicht zurück. Schwierigkeiten bei der Ermittlung von THG-Emissionen werden vor allem in der fehlenden Standardisierung der Erhebungsmethoden, dem besonderen Charakter speditioneller und logistischer Dienstleistungen mit ihrer verteilten Leistungserstellung sowie in der Datengewinnung (hoher Anteil von Fremdleistungen) gesehen.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass eine branchenweite Durchdringung einer „Grünen Logistik“ zwar noch nicht vorliegt, Speditionen und Logistikdienstleister aber bereits vielfältige Erfahrungen sammeln konnten. Insgesamt lassen sich aus den gemachten Angaben deutliche Unterschiede bezüglich des Reifegrades in der Behandlung dieser Thematik erkennen. Der Entwicklungsstand der „Grünen Logistik“ ist zwischen den Unternehmen stark unterschiedlich und variiert zwischen den Betriebsgrößen. Wenngleich Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern im Rahmen der Untersuchung relativ mehr Daten als kleinere Unternehmen liefern konnten, ist daraus aber nicht zwangsläufig zu schließen, dass kleinere Speditionen mit der „Grünen Logistik“ noch nicht in Berührung gekommen sind.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung des Themas hat der DSLV die Fragen zur „Grünen Logistik“ in sein Arbeitsprogramm übernommen und mit hoher Priorität versehen. In Ergänzung zur bestehenden verbandlichen Beratungsstruktur wurde bereits 2007 der DSLV Ad-hoc-Arbeitskreis „Umwelt/Vermeidung und Messung von CO2-Emissionen“ eingerichtet. An der Lösung der Frage, unter welchen Prämissen vom Güterverkehr verursachte Treibhausgas (THG)-Emissionen realistisch ermittelt und in einem verbindlichen, anwendergerechten Standard abgebildet werden können, beteiligt sich der DSLV im Rahmen der internationalen Normung ebenfalls aktiv.
Bonn, Januar 2010
Herausgeber der Studie:
DSLV Deutscher Speditions- und Logistikverband e. V.
Weberstraße 77
53113 Bonn
www.dslv.org / www.spediteure.de
Kontakt:
Dipl.-Volkswirt Frank Huster
Tel.: (0228) 9 14 40-41
E-Mail: FHuster@dslv.spediteure.de
Verfasser der Studie:
Prof. Dr. Dirk Lohre
Hochschule Heilbronn
Studiengang Verkehrsbetriebswirtschaft und Logistik
Institut für Nachhaltigkeit in Verkehr und Logistik (INVL)
Max-Planck-Straße 39
74081 Heilbronn
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Tel.: (07131) 50 42 52
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